ROUTE 66 oder NIX

Bild: Route 66 Los Angeles, Malibu, Pacific Ocean, Pazifischer Ozean
So kann es aussehen, wenn man die Route 66 bis ans Ende zum Pazifischen Ozean fährt und dann einfach rechts abbiegt...

Route 66 oder NIX
2015

Reisegeschichten von

HDW


Teil 1 Los Angeles

Good Morning Germany!

Eigentlich hatte ich Kalifornien für dieses Jahr überhaupt nicht mehr auf dem Zettel. Tja und wenn, dann nur in ganz kleinen Buchstaben. Aber egal, ob geplant oder nicht, ich bin jedenfalls wieder hier in LA und das habe ich letztendlich nur meiner eigenen Dusseligkeit zu verdanken. Und das kam so: Zusammen mit ein paar Kumpels wollte ich eine schöne Fahrradtour machen und ich hatte sie vergessen. Richtig, meine Sonnenbrille. Eigentlich ist das nicht zu schlimm, aber wer im Sommer schon mal erlebt hat, wie gerne Fliegen unbedingt in das menschliche Auge möchten, der weiß wovon ich spreche. Ja, und dann kam dieses Angebot: Eine highwaytaugliche Herrensonnenbrille für schlappe 17,00€. Ich meine, das war ja schließlich nicht irgendeine x-beliebige Brille, nein, sie war highwaytauglich! Und dann noch das Bild in der Werbung, sie liegt auf der Straße, aber nicht auf irgendeiner, sondern auf der Route 66. Jetzt war für mich alles klar. Diese Brille musste ich haben. Koste es was es wolle. Es kostete 17€ und ich war glücklich. Ich habe schon mal mehr Geld für weniger sinnvolle Sachen ausgegeben.

The Dream

Und dann hatte ich diesen Traum. Es war ein richtiger Alptraum: Ich sitze, irgendwann in der Zukunft, an einem  Lagerfeuer. Um mich herum meine kleinen Enkelkinder die es noch gar nicht gibt und ich habe Angst. Richtige Angst! Der Schweiß steht mir auf der Stirn und läuft in Bächen meinen Rücken herunter. Nein, das Feuer ist nicht zu heiß, ich habe einfach Angst vor der Frage, die eines meiner nicht vorhandenen Enkelkinder stellen könnte. Dann passiert es. Mit großen Augen blickt mich einer der Kleinen an und fragt: "Und Opa, war sie es denn jetzt, oder war sie es nicht?" Obwohl ich genau weiß, was gemeint ist, frage ich noch einmal nach: "Hä, wer war was?" "Mensch Opa, die Brille natürlich, war sie denn jetzt highwaytauglich, oder nicht?" Dann bin ich aufgewacht. Nein, soweit würde ich es nicht kommen lassen. Was sollte ich denn den armen Kindern erzählen? Etwa: "Keine Ahnung Leute, ich habe es nie ausprobiert, aber ich wollte es doch, ganz bestimmt. Ehrlich!"

Niemals. Deshalb bin ich aufgestanden und habe einen Flug nach Los Angeles gebucht. Denn wenn es Highways gibt, um die Sonnenbrille auf ihre highwaytauglichkeit zu testen, dann dort in California. Jo, und genauso hat es sich zugetragen, wirklich. Oder zumindest so ungefähr.

 

Bild: Porsche, Highway One, Santa Monica, Los Angeles
Nur noch einmal schnell den alten Porsche fotografieren...

So kann es nicht weitergehen

Laut den neuesten Erkenntnissen der Biologie bin ich jetzt über fünfzig Jahre alt. Und was mache ich? Fahre und fliege durch die Gegend und fotografiere Autos. Ich meine, das hat doch nichts. Ich besuche irgendwelche Car-Shows und freue mich. Aber kann das schon alles sein?  Wie soll denn jemals etwas aus mir werden? Da muss es doch noch etwas anderes geben. Irgendwo habe ich mal die Wörter Kunst und Kultur gelesen und so  mache ich mich auf die Suche nach höheren Zielen. Hier in der Gegend soll es ja nicht nur Autos geben.

 

The Getty Villa

Es ist gerade halb Zehn und die Sonne meint es schon gut. Ich bin von LA den Highway One nach Norden gefahren und dann sehe ich das Schild: Getty Villa. Also nichts wie hin. Wenn es hier keine Kultur für mich gibt, dann werde ich wohl nirgendwo etwas finden. Der Mister Getty war ein sehr, sehr reicher Mann und hat dieses schöne Anwesen bauen lassen.  „Do you have a reservation, Sir?“ Wenn einem diese Frage in Amerika gestellt wird, kann es den Unterschied zwischen Wohl und Wehe bedeuten. Denn ohne Reservierung läuft oft nichts im Land der unbegrenzten Möglichkeiten. Ich habe natürlich nicht reserviert und rechne schon mit einem professionellen „Sorry, dann vielleicht ein anderes Mal“, aber weit gefehlt. Der junge Mann an der Einfahrt lächelt mich an, zieht ein Ticket aus seiner Hemdtasche und gibt es mir. Und dann die zweite Überraschung an diesem noch jungen, sonnigen Morgen. Das Ticket ist umsonst. Ich bin von den Socken. Also fahre ich die steile Straße den Berg hoch. Kaum bin ich um die Kurve steht eine junge Dame auf der Straße. Aha, der Eintritt ist umsonst, doch das Parken kostet aber 15$. Mensch HDW werde wach! Niemand wird Milliardär, wenn er anderen was schenkt.

Bild: Getty Villa, Getty Garden, Getty Pool
Der bescheidene Garten in diesem schönen Anwesen

 

Bild: Getty Villa California
Auf der Suche nach Kultur und Kunst

Ist das Kunst, oder kann das weg?

Das Museum macht um Punkt Zehn auf und ich bin einer der ersten Besucher. Das erste was mir auffällt, sind die vielen Museumswächter. Hier wird richtig aufgepasst. Falls also jemand denkt, er hat einen Sch... Job, sollte er mal herkommen und diese armen Menschen ansehen. Die stehen hier jetzt den ganzen Tag neben kaputten Schüsseln und seltsamen Männerfiguren mit abgebrochenen Armen. Dass die Figuren auch noch nackt sind und ihre Schniedel in der Gegend rumhängen, macht die Sache nicht besser. Ich spiele seit meiner Kindheit Fußball und habe beim Umziehen und Duschen wohl mehr nackte Männerhintern gesehen, als manche Dame auf St. Pauli. Nein, danke, mein Bedarf ist da mehr als gedeckt. Wenn das Kunst sein soll, bleibe ich lieber bei meinen Autos. Doch so schnell will ich noch nicht aufgeben. Soll das etwa alles sein? Nein, der Garten ist echt klasse, doch irgendwie eine Nummer zu protzig. Das ganze Anwesen erinnert mich stark an das Restaurant von meinem Kumpel Vasili. Der hat auch solche Sachen da rumstehen. Ich gebe alles, aber der Funke will irgendwie nicht überspringen. Aber dann, ganz plötzlich habe ich doch noch das Gefühl in einer besonderen Umgebung zu sein. Auf der Terrasse kaufe ich mir eine Dose Cola, stelle mich ans Geländer und genieße die Aussicht auf den fernen Pazifik. Ich lasse mir die Sonne ins Gesicht scheinen und fühle mich gut. Das ist für mich Kunst. Aber jedem das Seine...

 

Have a nice Day

Hans-Dieter Wuttke (HDW)