Miami Vice 6

Bild: Beach Cruiser
Ein richtiges Strandfahrzeug: The Beach Cruiser

Teil 6

Good Morning Germany!

Schweren Herzens verlasse ich mein kleines Boutique-Hotel. Nein, ehrlich gesagt nicht. Ich hoffe doch auf etwas Besseres. Das größte Problem in diesem Laden war, dass das Netz fast immer zusammengebrochen ist. Das nervt natürlich, wenn man auf Hotelsuche ist, oder Mails nach Germany schicken will. Aber das ist jetzt Geschichte. Ich bekomme sogar meine 10$ Pfand für den Schlüssel und die Fernbedienung zurück, während der Portier lauthals weiter telefoniert und wen auch immer, durch das Handy auf Spanisch anschreit. Na ja, zumindest meint er wenigstens nicht mich.

 

 

Thunderstorm

Für heute ist Regen angesagt, aber da lasse ich mich nicht bluffen. Wir sind hier in Florida. Mal sehe ich dicke, dunkle Wolken und wenn ich nochmal hinschaue, sind sie weg und die Sonne strahlt vom blauen Himmel. Nicht mit mir Jungs. Ich fahre offen. Mein Ziel heißt: Mercedes-Benz of Miami! Ich meine, wie das schon klingt? Ist das nicht richtiger Sound in den Ohren? Da muss doch jedem, der den Stern im Herzen trägt, ganz warm werden, oder? Na gut. Entweder ihr versteht mich, oder eben nicht. Holger versteht mich.

Auf jeden Fall fahre ich bei strahlendem Sonnenschein auf den Highway und werde gleich von einer Gruppe Harley Fahrern überholt. Die haben sich anscheinend extra fein gemacht. Oder sind das Polizisten in Sonntagsuniform? So wie damals Bud Spencer und Terence Hill mit weißem Hemd und beiger Hose. Dazu die langen schwarzen Stiefel. Sieht edel aus. Andere Cabrios fahren geschlossen. Ist ja schließlich Winter und 25 Grad sind noch lange kein Anlass das Dach auf zumachen. Oder gibt es noch einen anderen Grund? Vor mir sehe ich wieder dicke, dunkle Wolken und die ersten Wagen bremsen schon ab. OK, habe ich verstanden. War kein Bluff. Heute gibt es richtig was auf die Mütze. Meine Sonntagsuniform-Biker haben auch schon auf dem Pannenstreifen angehalten und fummeln ganz hektisch an ihren Packtaschen rum. Ich glaube nicht, dass ihnen das viel helfen wird. Es kommt dicke...


Mercedes-Benz of Miami

Aber ich brauche nicht in das Unwetter hineinfahren, denn meine Abfahrt zu Mercedes-Benz of Miami ist schon da. Gerade als ich auf den Hof biege fängt es an zu regnen und ich mache schnell das Dach zu. Stilecht, mit Sonnenbrille, kurzer Hose und Flippis gehe ich durch die automatischen Eingangstüren. Nein, da hängen nicht zwei Verkäufer am Tresen der Empfangsdame, das ist hier schon etliche Nummern größer. Auf dem Gelände sind, grob geschätzt, mindestens 300 Autos. Eher mehr. Und Verkäufer rennen hier rum, bestimmt an die 20. Da hat mich auch schon einer entdeckt und kommt freudestrahlend auf mich zu. Es ist Chris, der, oder einer der Salesmanager? Egal. „Mensch, Chris, freut mich auch dich kennen zu lernen“. Chris sein Begleiter, er sieht eher aus wie ein Bodyguard, soll mich herumführen und mir beim Fotografieren helfen. Chris will solange mal schnell einen Nummernschild-rahmen für mich holen. Klasse, das klappt hier ja fantastisch. Die Stimmung ist für einen Samstagmorgen auch hervorragend. Coole, ganz schön laute Musik, und alle scheinen gut drauf zu sein. In einem der Glasbüros, tanzt sogar eine Dame vor dem Schreibtisch. Ihre Kollegen lachen.

 

Ich bin so gefangen in dieser etwas anderen Welt, dass ich gar nicht mitbekommen habe, wie sich mein Bodyguard abgeschwanzt hat. Auch Chris kommt mit meinem Souvenir nicht zurück. Jetzt bin ich doch etwas enttäuscht. Aber vielleicht haben die Jungs auch irgendwo „schweres Geschäft“. Ich fotografiere gerade ein Maserati Cabrio, als ich wieder angesprochen werde. „Der frühere Besitzer fährt jetzt einen SL 63 AMG“, sagt ein freundlicher Herr zu mir und fragt, was er für mich tun kann. Na gut, wenn er unbedingt möchte, kann er mir gerne eine Nummernschildverstärkung holen. „Klar, kein Problem, dürfen es auch zwei sein? Und noch Schrauben dazu“? „Äh, nein danke. Keine Schrauben, aber die Rahmen wären klasse. Thanks José!“ Mein neuer Freund kommt mit den Rahmen zurück und überreicht sie mir feierlich. Er ist so freundlich, dass ich ihn bitte, einen Augenblick zu warten. Ich renne durch den Regen zum Auto und hole ein kleines Geschenk für ihn. Ja, ein original …! Genau, ihr wisst schon was. José ist total von den Socken und bevor er mich für heute Abend zum Essen einlädt, um mich seiner ganzen Familie vorzustellen, verabschiede ich mich aus „meiner“ Niederlassung von Mercedes-Benz of Miami! Und da haben die mich doch zu Hause mal angeschrieben, ich soll Markenbotschafter für Mercedes werden. Mensch Jungs, das bin ich doch schon längst!

Ja, warum eigentlich Maserati fahren, wenn es auch ein Mercedes SL 63 AMG sein kann?

Take me down to paradise city...

Eigentlich will ich weiter zu einem Auto-Treffen aber ich bleibe noch eine gute halbe Stunde auf dem Parkplatz im Auto sitzen. Das Unwetter ist jetzt hier. Es ist ein richtiger Wolkenbruch und ich kann keine zwei Meter weit sehen. Das Wasser steigt immer höher, aber zum Glück hat es meine Türen noch nicht erreicht. Draußen wird es dunkel und so lege ich die Beine auf das Armaturenbrett und freue mich, dass ich nicht nass werde.

In Deutschland hatte ich mir einige Car Meetings im Internet rausgesucht. Bei uns sind das US-Car Treffen hier sind es entweder besonders alte Autos oder bestimmte Marken. Dieses ist ein Pontiac GTO Treffen und ich bin sehr gespannt, was mich hier erwartet. Das Unwetter ist vorbei und auf dem Highway werden gerade die Autos abgeschleppt, die es nicht überlebt haben. Ich kann es kaum glauben, ich bin da. Ein richtiges Car Meeting in Amerika. Mein erstes! Ich fahre auf den Hof und werde gleich wieder runter geschickt. Spectators (Besucher) eine Einfahrt weiter. Auch gut. Das Treffen ist wirklich sehr speziell. Es sind nur Pontiacs da. Der bekannteste ist für die meisten wohl der Trans Am. Die Leute sind aber sehr nett und ich kann mir die Autos in Ruhe ansehen. Es sind ja nicht zu viele, höchstens 30. Wenn ein Fahrer mit einem Wagen einer anderen Marke kommt, muss er wieder vom Hof: Pontiac only.

Die ganze Veranstaltung findet auf dem Parkplatz des Wild West Gentlemen's Club statt. Nachdem ich meine Runde gedreht habe, müsste ich mal einen Restroom aufsuchen, wie das hier in Amerika heißt. Ich frage einen der Aussteller und er meint, dass die Toiletten drinnen sind. Gleich hinter der Bar links. Alles klar. Ich öffne die Tür und stehe vor einer Empfangsdame. Ja, fast wie bei Mercedes. Allerdings ist es hier drinnen sehr kühl und die Dame ist sehr leicht bekleidet. „Restrooms? No Problem, gleich hinter der Bar links“. Ich biege also um die Ecke und kann erst mal gar nichts erkennen, weil es sehr dunkel in dem Raum ist. Aus den Lautsprechern dröhnen Guns N´ Roses: Take me down to the paradise city. Where the grass is green and the girls are pretty! Als nächstes falle ich fast über einen der herumstehenden Sessel und halte an, um mich zu orientieren. Ah, jetzt sehe ich auch die Bar und daneben ein Schild: Cowboys. Gut, das wäre geklärt. Meine Augen gewöhnen sich langsam an die Dunkelheit und ich erkenne was hier abläuft. OK, ich bin ja nicht davon ausgegangen, dass das hier ein Walmart ist, aber jetzt will ich doch sehen, dass ich wieder rauskomme. Einmal für kleine Cowboys und dann nichts wie zurück ans Tageslicht. Nicht, dass hier gleich Damenwahl ist und ich noch tanzen muss.

 

Please let me go

Hans-Dieter Wuttke (HDW)

Bild: Pontiac GTO Old Goat