Miami Vice 8

Teil 8

Daytona Beach


Good Morning Germany!

Normalerweise wären wir uns nie über den Weg gelaufen, geschweige denn, dass wir uns hier gegenüber stehen und uns die Hände schütteln. Sie erinnert mich irgendwie an eine Schuldirektorin oder eine Vorgesetzte beim Militär. Ja, das muss es sein. Sie war bestimmt mal ein Drill Instructor bei den Marines. Der Blick geradeaus, nicht das leiseste Blinzeln, dafür einen Händedruck wie der berühmte Schraubstock: „Nice to meet you Haans-Dieda“! Allerdings sagen ihre Augen etwas anderes. Aber der Reihe nach.


Still on the road

Nach meinem Angelabenteuer, mit dem ultimativen Captain Jack, bin ich nochmal durch die Gegend gefahren: Everglades National Park, nochmal nach Key West runter (einfach zu cool die Strecke) und dann ab nach Daytona Beach! Als ich in Daytona ankomme, sind schöne, kuschelig warme 30 Grad und Sonne pur angesagt. Was kann es besseres geben, als jetzt mit dem Mustang am Strand zu cruisen und anschließend im flachen Wasser spazieren zu gehen? Ich habe ein tolles Hotel mit Blick auf das Meer gefunden, das mich weniger kostet, als manches kleine Loch in dem ich schon übernachtet habe. Irre! Der Strand wird bei Sonnenuntergang für Autos wieder geschlossen und die Jungs von der Baywatch geleiten mich mit voller Lichtorgel vom Strand. Ich war wohl der Letzte. Klasse. Schon das allein war es wert, hier noch vorbei zu kommen. Eigentlich habe ich heute nichts mehr vor. Morgen geht es zurück nach Atlanta und dann mit dem Flieger nach Hause. Aber als ich so unter der Dusche stehe, fällt mir das alte Lied von Westernhagen wieder ein. „Ich kann die Arme kaum noch heben, aber ich will heute noch was erleben“.

 

Daytona Bike Week

Also wieder rein in den Mustang und rauf auf die Straße. Da ich heute Mittag von links angekommen bin, fahre ich heute Abend eben rechts rum. Keine Ahnung was mich dort erwartet. Plötzlich kommen aus einer Einfahrt zwei Donnerhobel. Harleys natürlich. Und was für welche. Mit LEDs ausgeleuchtet schocken die total ab. Ich fahre hinterher. Mal sehen wo die wohl hin wollen. Wir fahren etwas durch die Stadt und kommen zu einem abgesperrten Parkplatz. Hier findet augenscheinlich ein Konzert, oder etwas Ähnliches statt. Jedenfalls stehen schon etliche Motorräder auf dem abgesperrten Parkplatz. Ich drehe wieder um. Hier will ich nicht hin. Fehlanzeige. Beim Einchecken im Hotel wurde mir gesagt, dass die Einwohner von Daytona schon ganz aufgeregt sind, weil morgen die Bike-Days beginnen. Dann kommen Motorräder aus dem ganzen Land und verwandeln die Stadt in einen donnernden Hexenkessel. Aber eben erst morgen.

 

Ich komme um die nächste Ecke und stehe mit einem Mal im Stau. Es ist aber ein ganz besonderer. In einer langen Karawane ziehen unzählige Biker durch die Straßen. Es sieht ganz so aus, als wäre die Bike Days schon angefangen. Ein Wahnsinn. Überall Motorräder und Biker. Kneipen und Verkaufsstände säumen die Straßen und alles voller Leute. Der Kandidat hat 100 Punkte. Blöde, wenn ich das verpasst hätte. Die Party ist bereits voll im Gange. Weil ich Hunger habe und ich mir auch mal was gönnen will, esse ich eine Art Schaschlik für 10$. Woanders wäre das wohl für ein zwei Personen Spieß durchgegangen. Als ich den Verkäufer frage, ob ich nicht auch einen halben Spieß bekommen könnte, schaut er mich nur irritiert an. Hey man, ist ein Bikertreffen! Ach ja, sorry.

 

Ja, und dann finde ich noch heraus, dass es eine ganze Bike Week ist und die Haupttage zwar erst am morgigen Wochenende beginnen, aber ein großer Teil der wilden Kerle (Frauen natürlich auch) bereits da sind. Irgendwann verlasse ich die Party. Morgen ist Heimflug angesagt.

Last Day in Paradise

An meinem letzten Tag will ich es ruhig angehen lassen und locker nach Atlanta zurück fahren. Ein Blick auf mein Navi sagt mir allerdings, dass ich doch weiter von meinem Abflughafen entfernt bin, als zunächst gedacht. Ich hatte irgendwie nur vier Stunden abgespeichert, aber es sind noch fast sieben. Na gut, dann eben keine Pausen mehr.

Nach 2800 Meilen, oder 4500 herrlichen Kilometern, bin ich am Abend wieder am Ausgangspunkt meiner kleinen Reise durch Georgia und Florida angekommen. Ich bin zurück bei meinem Autovermieter in Atlanta. Ich fahre in das Parkhaus und stelle den roten Mustang in die Reihe der anderen Leihwagen. Ein netter junger Mann nimmt die Daten auf, geht einmal um das Fahrzeug, um etwaige Schäden zu dokumentieren und gibt mir dann meine Abrechnung. Normalerweise steht hier auf dem Zettel eine schwarze „0“ weil ich die Autos immer so buche, dass ich schon alles vorher bezahle. Einschließlich der notwendigen Versicherungen. Das ist einfach um etliches billiger und im Internet viel schneller und übersichtlicher, als wenn ich hier anfangen würde vor Ort zu vergleichen. Florida hat allerdings ein tolles Mautsystem mit mindestens 5 verschiedenen Zahlungsmöglichkeiten. Einfach toll. Manchmal muss man Kleingeld in einen Korb werfen, dann wird das Nummernschild automatisch fotografiert, ein anderes Mal steht jemand im Kassenhäuschen, oder man zieht eine Karte und zahlt am Ende der Mautstrecke. Das Beste ist natürlich ein kleiner Kasten, den man in die Windschutzscheibe klebt. Hierzu muss man sich allerdings registrieren und die Maut wird dann vom Konto abgebucht. Da ich etliche Male fotografiert worden bin, rechne ich also mit einem kleinen Betrag, den ich nachzahlen muss. Die Abrechnung sagt jedoch etwas anderes. Ich soll noch 222$ nachzahlen. Der junge Mann verweist mich an die Kollegen im Büro. Er kann nur das sehen, was hier auf der Rechnung steht. 

Help me Ronda

Mein nächster Ansprechpartner ist ebenso überfordert und meint, dass er den Manager holen müsse. „Ja, gerne, ich bitte drum“. Die Art wie es das Wort Manager ausspricht und das ganz vorsichtige Klopfen an der Tür mit der Aufschrift „Manager“, hätte mich schon vorwarnen sollen. Aber meine Alarmglocken waren noch nicht in Funktion. Und so kommt es, dass meine Hand nun in dem Schraubstock gelandet ist und mich die Managerin mit Haans-Dieda anspricht. Ihr Name ist Ronda und sie fragt, wie sie mir helfen kann? Ich erkläre kurz mein Anliegen und mit einem Blick auf meinen Mietvertrag, fragt sich mich, ob das nicht meine Unterschrift ist. Doch Ronda, ist sie. Ja, und da steht, dass ich noch zusätzliche Versicherungen für eben 222$ abgeschlossen habe. Damals vor zwei Wochen, als ich das Auto übernommen habe. Mist, jetzt sehe ich die Zahlen auch. Aber ich habe es doch so gemacht, wie schon viele Male vorher beim Abholen eines Mietwagens. Ich habe der Angestellten gesagt, dass ich bestens versorgt bin und keine weiteren Versicherungen benötige. Blöd nur, dass die junge Dame das damals ignoriert hat und ich den Vertrag nicht richtig gelesen habe. Tja, und jetzt ist die berühmte Waschmaschine gekauft. Unterschrift ist eben Unterschrift. Ronda blickt mir in die Augen und ich blicke zurück. Ex-Marine hin oder her. So geht das nicht. Ich bin sauer. Allerdings fehlen mir die Argumente, ich hätte einfach besser aufpassen sollen. Also versuche ich es mal etwas anders.

 

Die Macht der schwarzen Zahlen

„Ronda, sie haben selbstverständlich Recht. Es war mein Fehler, ich hätte besser aufpassen müssen. Aber sehen sie es mal so: Ich komme nach einem langen Flug hier an, möchte nur meinen Mietwagen übernehmen, zum Hotel fahren und mich zum Schlafen ins Bett legen. Ich weiß, dass alles geregelt ist und ich bei einer renommierten Firma mein Auto abhole. Nicht bei irgendeinen Dealer an der Ecke, wo ich Angst haben muss, dass ich über´s Ohr gehauen werde (zuckt Ronda da etwa ganz leicht zusammen, oder bilde ich mir das nur ein?). Wissen sie Ronda, ich kenne mich auch ein wenig aus, im großen Business dieser Welt (jetzt haue ich etwas auf die Trommel). Jeder hat einen Chef und der hat auch wieder einen Chef. Und jeder will am Ende der Woche seinem Chef gute Zahlen liefern und auf seiner Scorecard eine grüne Ampel haben. Grün ist immer gut. Bei Rot gibt es unangenehme Fragen und Maßnahmen. Und bestimmt gibt es auch bei ihnen Team Meetings, wo die lieben Mitarbeiter ermuntert werden, das Ergebnis dieser schönen Niederlassung zu verbessern. Ja Ronda, ich weiß, wie wichtig schwarze Zahlen sind (hätte ich zuhause rote, wäre ich nicht hier), aber es gibt auch noch etwas anderes im großen Business. Und das ist etwas, dass sich viele Unternehmen sehr viel Geld kosten lassen, um es zu bekommen: Das Vertrauen des Kunden!“ Ich bin gerade gut in Fahrt und wundere mich schon etwas über mich selbst, (in welchem Buch habe ich das alles wohl mal gelesen?) da hebt Ronda ihre Ex-Marine-Hand.

 

 „Haans-Dieda, der Vertrag ist selbstverständlich gültig und du hast keinen Anspruch auf irgendeine Rückzahlung, aber in Anbetracht der Tatsachen, bin ich bereit dir einen Vorschlag zu machen: Wir beide, du und ich, teilen uns die Summe und die Sache ist vom Tisch“. Wie gesagt, einen Anspruch habe ich nicht, aber sie würde mir entgegenkommen. Das ist doch mal ein positives Gespräch. Ich willige ein und sie druckt eine neue Rechnung aus, auf der sie statt der Hälfte fast 2/3 übernimmt. Ronda, ich bin begeistert. Dann erklärt sie mir noch, wie ich am besten zum Einchecken komme und verabschiedet sich mit einem saftigen Händedruck. Doch diesmal bin ich besser vorbereitet und lasse mich nicht überraschen. Jetzt glaube ich doch, die Andeutung eines kleinen Grinsens auf ihrem, wie aus Stein gemeißeltem, Gesicht zu entdecken. Nice to meet you Ronda!

 

Zum Schluss

Und so geht sie zu ende, meine kleine Rundreise. Vielen Dank an alle, die bis zum Schluss durchgehalten haben. Ich hoffe, ihr hattet beim Lesen so viel Spaß, wie ich beim Schreiben. Thank you and see you next year!

 

The End

Hans-Dieter Wuttke (HDW)